O Wonnemonat, Maientag voll
Blüthen,
Voll Glanz und Traum, voll
Mückenspiels in Lüften,
Voll Lerchenliedern und voll
Fliederdüften,
Wie mag ich soviel Wohlthat
dir vergüten?
Nach Knabenart versenkt in Elfenmythen,
Zur Wanderschaft umgürt ich
nun die Hüften,
Und, starb die Jugend, will ob
ihren Grüften
Vor Klage mich Frau Nachtigall
behüten.
Ihr Flötenton aus
nachbarlichen Zweigen
So brünstig schwillt, son
glühend wollsttrunken,
Als sei die Lieb der ganzen
Welt ihr eigen:
Sie grübelt nicht, sie lebt!
Aus Lebensfunken
Wird Gott zum Preis noch
mancher Frühling steigen
Und lieblich sein, wenn dieser
hingesunken.
Am Mühlenwehr in
Frühlingsvesperstunde
Die Bäume stehn mit
Kinderangesichte
Und horchen jener heimlichen
Geschichte,
Die aus des Baches
vielgeschwätzigem Munde
Geplaudert wird: Vom
Wassermann am Grunde,
Vom Neck, dem greisen, der im
Mondenlichte
Die Nixen lehret, wie man
Locken schlichte
Und küssend Pilger auf den Tod
verwunde.
Darob erschrak die zarte
Apfelblüthe
Und hebt und bricht und
taumelt in die Welle;
Sie war von zu poetischem
Gemüthe.
Kuhblumen wachsen zahlreich an
der Stelle
Und schütteln ihre gelben
Sommerhüte
Und wispern leis: Die geht
nicht mehr auf Bälle.
Es war einmal ein Träumer, der
vergnüglich
Am ersten Maitag streckte
seine Länge
In’s Uferschilf und lernte
dort in Menge
Geheimnisse auf Weltweisheit
bezüglich.
Ein Birkenzweig zur Unke
sprach: Wenn füglich
Der Jüngling gern hört Ihre
Klaggesänge,
Das Alter kommt durch Sorgen
in’s Gedränge,
Frau Nachbarin, drum rathen
Sie uns klüglich!
Pfingstmaien erst, dann edle
Hexenbesen,
Verschmäht uns die moderne
Amazone;
Das Steckenpferd hat sie zum
Roß erlesen,
Die Mutter stiehlt es ihrem
eignen Sohne.
Frau Unke sprach: Und darum
soviel Wesen?
Der Ritt verdient ein
Birkenreis zum Lohne.
Mit braunem Antlitz unterm
blonden Zopfe
Ein Knäblein dort im Garten
auf den Zehen
Fürsichtig nahet, bleibt vor
Blumen stehen
Und schleudert dann vom rasch
entblößten Kopfe
Den Hut vorbei dem
Schmetterling. Doch, tropfe
Die Stirn von Perlen, heim
will es nicht gehen,
Sein Blick wird starr, dem
Flüchtling nachzusehen,
Wir können merken, wie das
Herz ihm klopfe.
Und Neid erwacht uns: Fern dem
hastgen Finger
Verfliegt sein Glück sich
still und schön im Blauen
Und jeder Falter wird zum
Wiederbringer.
Wir aber, Männer voll von Selbstvertrauen,
Des spröden Schicksals
trotzige Bezwinger,
Uns welkt die Blume, wenn wir
sie beschauen.
Ein Häuslein ruhet
spitzgethürmtim Schutze
Des Tannenwaldes unter breiten
Ästen.
Dorthin die Straße wimmelt von
dem Besten,
Was Arbeit je gewonnen hat zum
Putze.
Und was die Wohnung stark
macht, daß sie trutze
Bescheidnen Sinnes ungebetnen
Gästen,
Was Ordnung will und guter
Brauch bei Festen,
Dort machen’s Fleiß und
Klugheit sich zu Nutze.
Und jedes Werk wird vorbesimmt
für Jeden,
Und Jeder seins vollbringet
ohne Tadel
Rastlos und schweigsam, Keinen
hört man reden.
Ameisenheim! Aus diesem Haus
von Adel
Getreu im Kleinen, eins in Ruh
und Fehden,
Kennt Ihr sie nicht die Herrn
der Kiefernadel?
Inmitten von Vergißmeinnicht,
am Rande
Des Wiesenbaches welch ein
Athemholen?
Dort schläft das Mägdlein, dem
auf Blüthensohlen
Die Träume nahn mit Schmuck
und buntem Bande.
Sie kleiden es in prächtige
Gewande
Statt seines Werktagröckchens
braun von Kohlen,
Und Schlüsselblumen öffnen ihm
verstohlen
Den tiefen Himmel und die
weiten Lande.
Ach, wie das schön ist! Herrn
und edle Frauen
Mit sanften Augen wandeln
allenthalben,
Und durch den Wald her jagt im
Abendgrauen
Ein stolzer Reiter, springt
von seinem Falben
Und kniet vor ihr! Sie wacht,
die Wimpern thauen:
„Ja, wenn du fromm bleibst“,
zwitschern ihr die Schwalben.
Die Rose neigt, von
Mittagsgluth versengt,
Ihr welkes Haupt am
ausgedörrten Stiele,
Und sterbend, noch im letzten
matten Spiele
Der Schmetterling in ihren
Düften hängt.
Da schlägt die Stunde, welche
Labung sprengt,
Und soviel Stern am Himmel
gehn, soviele
Thautropfen finden leuchtend
ihre Ziele,
Und perlenschwer sich Blüth an
Blüthe drängt.
Dies zu betrachten, kommt von
Euren Pfaden,
Ja, kommt, Ihr Pilger krank
und grambedeckt:
In einen Garten werdet Ihr
geladen,
Von Thränenwolken schattig
überdeckt.
Thautropfen sind es, die
gesund Euch baden,
Und Gottes Lieb, die heilsam
Leiden weckt.
Der Mai ist kommen und er nahm
in Pflege
Was sprießet, duftet, singt
und klingt hienieden,
Kastanie schmückt mit
Blüthenpyramiden,
Der Dornbusch wie ein Stutzer sich
am Wege.
Und voll das Laub wird, daß es
Nester hege
Und Menschenglück in seinem
süßen Frieden.
Wer aber längst von Hoffnung
abgeschieden,
Dem ruft der Kranich: Deine
Flügel rege!
Die Pfade mir bekannt sind
durch den Äther,
Zum Schatten unsrer Heimath
laß uns schweben,
Zum Lindenbaum, am alten
Rathaus steht er
Und Tanz und Spiele seinen
Stamm umgeben.
Dort weichet von dir, was du
träumtest später,
Und deine Märchen wollen
wieder leben.
Nun blüht der Baum am Eck des
Elternhauses,
Von zarten Glöcklein
schneeweiß überhangen:
Oft ehedem die Winde Flügel
schwangen
in seinen Ästen schaurigen
Gesauses.
Ans Fenster streichend, jagten
sie ein krauses
Erschrocknes Kinderhaupt mit
bleichen Wangen
Tief in die Kissen, leise
Klagen zwangen
Mein Mütterlein vom Tisch des
Abendschmauses
Zum Bette, drin ich rang mit
Feen und Dieben.
Ihr Lächeln ward der bösen
Träume Meister;
Doch kam sie nicht, dann kam
ich angstgetrieben
Zu ihr im Hemdchen und erfuhr
als dreister
Interpellant, was mir dann
klar geblieben:
Daß Menschenhände stärker
sind, denn Geister.
Frühstunde war es, die Veranda
lag
In Fliederduft und
Maiensonnenschimmer.
Hier wartete der Morgentrunk,
im Zimmer
Die Gäste rief bekannter
Glockenschlag.
Doch ich, mit einem Körbchen
spielend, stach
mir in die Hand, sah auf und –
welch ein Flimmer!
Ein Traum der Kindheit ruft
mich weiter immer
Und weiter heim in seinen
goldnen Tag:
Der Schwester Nadelbuch, alt, abgegriffen,
Und drin mit Amor sieben
schöne Damen,
Die ich als Büblein ungalant
gekniffen,
Heut mir das Herz im Sturm
gefangen nahmen.
- Das Posthorn blies,
Locomotiven pfiffen:
Sie sind verjüngt, seit wir
zusammenkamen.
Es sei! Von dieser lieben
Bettstatt heute
Erzähl ich Euch, der Wißbegier
zu dienen:
Sie schützte sonst mit zarten
Mousselinen
Nur Tanten oder hochverehrte
Leute.
Wir Kinder wußten, daß es viel
bedeute,
Wenn dort zum Handkuß morgens
wir erschienen,
Ermahnung gab es und Bonbons
bei ihnen,
Und heimlich kichernd theilten
wir die Beute.
Jetzt träumet sie, die Thüren
sind verschlossen.
Doch läßt sie noch, bis ihr
Beruf erledigt,
Aus diesen Träumen
kinderfreuden sprossen
Und keiner Motte frevler Zahn
sie schädigt:
Oft hört man hier, wenn
Mondglanz hingegossen,
Die Geisterlaute der
Gardinenpredigt
Zum lieben Schwälblein
kürzlich sprach mit Klappern
Der Philosoph vom Giebelfirst-Katheder:
„Mehr als der Schnabel heute
gilt die Feder
Und Gänsekiele oft unleidlich
zappern.
Dagegen ich, kann Einer wohl
in knappern
Beredtern Worten sagen das,
was Jeder
Im Stillen wünscht: Ein
Brüderchen entweder,
Oder zwei Schwesterchen, die
lieblich sabbern?“
Das kluge Weibchen
zwitscherte: „Gevatter,
Die freie Ehe, glauben Sie’s
der Schwalbe,
Kann mehr als Sie, und blind
macht das Geschnatter
Der Zeitungsenten mehr als
eine halbe
Million von uns. Der Mensch
jetzt Bessres hat er,
Als Ihren Rath und meine
Augensalbe.“
Die Sonne glüht, der
Springborn singt von Leide,
Von Lieb und Lust melodisch
durch den Garten,
Schildwache stehn mit
blühenden Standarten
Kastanienbaum, Akazie,
Silberweide.
Und dort im Erker knistert es
wie Seide:
Ein zärtlich Paar nach langem
bangem Warten
Sich gern vergiebt die
süßesten Unarten
In Rosenduft und dichtem
Laubgeschmeide.
Am Fliederkelche schaukelt die
Libelle,
Und Nichts was lärmt, was
staubig und voll Sorgen,
Berührt von fern des leisen
Zeitstroms Welle.
Er ruhet hier, in Einsamkeit
geborgen;
Kaum nur die Nacht mit
Tagesdämmerhelle
Unmerklich trennt vom Heut ein
gleiches Morgen.
Den Wald hindurch, der eben
sich im Kleide
Von zartem Grün an’s
Hochgebirge lehnet,
Ging jüngst ein Wandrer.
Dieser spricht: ihr wähnet,
Es sei das Herz im Jubel und
im Leide
Ein andres Meer; denn zitternd
wogen beide,
Wenn drüberhin der Sturm die
Flügel dehnet,
Und daß zum Licht her die
Tiefe sehnet,
Die Thräne sagt’s, die
Perlen-Augenweide.
Doch Besseres hat mein Gemüth
erfahren:
Ein stummer Bergsee, der in
trunknen Fluthen
Die Sonne spiegelt, hell ihr
Bild zu wahren,
So trank ich heut des Abends
letzte Gluthen,
Und gleich wie Schwäne,
segelnd hoch im Klaren,
Zu Häupten mir des Friedens
Schwingen ruhten.
Der tiefen Sonne letzte
Strahlengarbe
Ihr rothes Gold hinstreut den
Wiesenmatten,
Die Taube sucht des
Buchenwaldes Schatten,
Voll Traum des Herz wird, blaß
der Rosen Farbe.
Und wer noch eben bitter
sprach: Ich darbe,
Und wessen Augen nirgends
Frieden hatten,
Wer hungrig blieb, verlacht
von Übersatten,
Ihm, Dämmerstunde, kühlest du
die Narbe.
Schweigsame Spinnerin am
Zauberrocken,
Mir windest du die Fäden meines
Lebens
Noch einmal hell und meine
Pulse stocken;
Denn viele schürten, viele
sich vergebens.
Und vor dem Meister senkt mein
Haupt die Locken,
Der sich erbarmt so
schülerhaften Webens.
Des Maienregens sanfte
Perlengüsse
So weich, so still erquicklich
niederfallen,
Daß Wonne zittert aus den
Kelchen allen,
Ihr tiefer Dank einathmet
seine Küsse.
Die Gartensteige wandeln sich
in Flüsse,
Drin Licht sich spiegelt,
schwere Tropfen schallen
Als hörest Du der Erde
Pulsschlag wallen,
Dem andachtsvoll Dein Herz
verstummen müsse.
Und Durst und Sehnsucht öffnen
ihre Poren
Und Rösleins Blick in feuchtem
Glanz sich neiget
Vor meinen Augen, weithin
traumverloren.
Dies Bild mein Weib mir
bräutlich lächelnd zeiget,
Aus ihrem Herzen, das mir Gott
erkoren,
Der Regenduft beglückter
Thränen steiget.